Trude Unruh

Trude Unruh

Trude Unruh: Kurzbiographie

(Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Ernst Probst, Mainz,- UID-Nr. DE154994733)

Als Gründerin des Seniorenschutzbundes „Graue Panther“, der Generationenpartei „Die Grauen – Graue Panther“ und mehrerer Bürgerinitiativen tat sich die deutsche Politikerin Gertrud (Trude) Unruh, geborene Kremer, hervor. Sowohl der Seniorenschutzbund als auch die Generationenpartei setzen sich engagiert für die Probleme älterer Menschen ein.

Trude Kremer wurde am 7. März 1925 als uneheliches Kind der Gesellschaftsdame Gertrud Kremer in Essen geboren. Sie wuchs bei ihrem Großvater Willi Kremer und seiner Frau Gertrud in Essen auf. In ihrer Geburtsstadt besuchte sie die Volksschule, Berufsschule und das Kruppsche Bildungswerk.

Ab 1941 arbeitete die 16-jährige Trude Kremer in der Hauptverwaltung der Firma Krupp in Essen, der damals größten Waffenschmiede der Welt. Im Alter von 19 Jahren heiratete sie 1944 in dem niedersächsischen Dorf Nordstemmen den Schwerkriegsbeschädigten Helmut Unruh (1923–1993).

Wegen der immer verheerenderen Bombenangriffe versetzte man den Stab von Krupp 1942 nach Breslau (Schlesien). Trude war damals die jüngste Geheimnisträgerin. Aus Breslau flüchtete die 19-Jährige 1944 mit dem Fahrrad vor den heranrückenden Russen nach Nordstemmen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Trude Unruh in verschiedenen eigenen Firmen tätig. Während ihrer Berufstätigkeit bildete sie sich über Volkshochschulen, Stiftungen und private Führungsseminare weiter. Ihr Mann wirkte als Manager.

Im April 1968 zog Trude Unruh mit ihrer Großfamilie – sie, ihr Mann, die Söhne Helmut (geb. 1955) und Ingbert (geb. 1959) und die Schwiegereltern – nach Wuppertal (Nordrhein-Westfalen). Weil es ihr gefiel, dass der Politiker Gustav Heinemann (1899–1976) wegen der Wiederaufrüstung aus der „Christlich-Demokratischen Union“ (CDU) austrat und sich der „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ (SPD) anschloss, wurde sie ebenfalls SPD-Mitglied. Sie bezeichnete sich als „politische Tochter Gustav Heinemanns“.

In der SPD machte sich Trude Unruh für Gesamtschulen und für bessere Bildungschancen von Frauen stark. Außerdem wollte sie schon immer, dass Männer und Frauen überall gleich vertreten sind, obwohl sie sich nicht als Feministin betrachtete.

1969 gründete Trude Unruh ihre erste Bürgerinitiative für die Fristenregelung bei der Abtreibung. 1973 trennte sie sich von der SPD, als ihr Wunsch nach einem Landtagsmandat unerfüllt blieb. Im selben Jahr wurde sie Mitglied der „Freien Demokratischen Partei Deutschlands“ (F.D.P.), verließ diese aber 1978 wegen ihres Antrages zur Abschaffung des Extremistenerlasses.

1975 hob Trude Unruh in Wuppertal den Seniorenschutzbund „Graue Panther“ aus der Taufe. Den Anstoß dafür gab eine Freundin ihrer Schwiegermutter, die in ein Siechenheim mit 20-Bett-Zimmern eingeliefert wurde. Nachdem sich die Schwiegermutter dies angesehen hatte, forderte sie Trude Unruh auf: „Mach mal was!“ Diese Anregung fiel auf fruchtbaren Boden, denn das Leben von Frau Unruh ist von Zivilcourage und Idealismus geprägt.

1979 arbeitete Trude Unruh kurze Zeit mit der rechtsökologischen „Grünen Aktion Zukunft“ zusammen, die 1978 von dem Politiker Herbert Gruhl (1921–1993) ins Leben gerufen worden war. Vorübergehend – von 1979 bis 1980 – gehörte sie zur „Bürgerpartei“ von Hermann Fredersdorf und Bolko Hoffmann.

Mit aufsehenerregenden Aktionen und Demonstrationen erzielten die „Grauen Panther“ bald beachtliche Erfolge: Gegen Ende der 1980-er Jahre zählten sie bereits 30000 Mitglieder und besaßen 170 Außenstationen.

Nach der Devise „Wir lassen uns nichts gefallen“, kritisierte Trude Unruh kämpferisch und lautstark skandalöse Zustände in Altenheimen. Außerdem versuchte sie, Änderungen im sozialen Netz und im Rechtssystem zugunsten älterer Menschen durchzusetzen. Eine Vorstandskollegin der „Grauen Panther“ lobte Trude Unruh, wo sie auftauche, passiere etwas.

Bevor die Grünen 1983 in den Bundestag einzogen, vereinbarte die parteilos Trude Unruh mit ihnen einen „Sprachrohr-Vertrag“, in dem sich die Umweltpartei verpflichtete, die Interessen der „Grauen Panther“ im Parlament zu vertreten. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit war der Gesetzentwurf für eine staatliche Mindestrente. 1983 gründete Frau Unruh die Zeitschrift „Graue Panther“.

Bald genügte Trude Unruh der „Sprachrohr-Vertrag“ mit den Grünen nicht mehr. Bei den Bundestagswahlen 1987 zog sie als Parteilose über Platz 3 der nordrhein-westfälischen Landesliste der Grünen ins Parlament. Diese Politisierung des Seniorenschutzbundes fand nicht die Zustimmung aller Mitglieder. Ein Teil der „Grauen Panther“ sah die parteineutrale Satzung verletzt und verließ den Seniorenschutzbund in Form von Selbsthilfegruppen. 1987 gründete Frau Unruhe die „Graue Panther-Bundesakademie für Selbstverwaltung“.

1989 wichen die Grünen von der Mindestrente á la „Beamten-Mindestpension“ ab, denn eigentlich – so hieß es – müsste man den Alten die Rente kürzen, weil sie an Hitler und am Zweiten Weltkrieg schuld seien. Zudem wurden Listenplätze für die Europawahl verweigert.

Bei der Jahreshauptversammlung des Seniorenschutzbundes „Graue Panther“ im Juli 1989 plädierte die Mehrheit für die Gründung einer eigenen Partei namens „Die Grauen. Graue Panther“ mit Trude Unruh an der Spitze. Ziel der neuen Partei sollte das Werben für „Verständnis und Zusammenarbeit zwischen den Generationen“ sein.

Im August 1989 wurde die neue Partei „Die Grauen. Graue Panther“ aus der Taufe gehoben. Daraufhin forderten „Die Grünen“ Trude Unruh auf, ihr Bundestagsmandat niederzulegen, was diese jedoch nicht tat, weil es ein Graue Panther-Mandat sei.

Mitte September 1989 schlossen „Die Grünen“ Trude Unruh aus ihrer Fraktion aus. Danach blieb sie bis zum Ende der Legislaturperiode 1990 als fraktionsloses Mitglied weiter im Bundestag. Ungeachtet der Parteigründung blieb der Seniorenschutzbund „Graue Panther“ eine eigenständige überparteiliche Organisation.

Als Bundestagsabgeordnete forderte Trude Unruh die Grundrente für alle in Höhe von 1200 Mark, die totale Autonomie für Alte bei der freien Wahl der Altenpflege, die freie Entscheidung zugunsten der Homöopathie und für den Freitod. Ablehnend stand sie dem Abtreibungsparagraphen 218, der Atomkraft, Raketen und der „Wohlstandsmafia“ der Sozialbehörden gegenüber.

Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 erreichten „Die Grauen“ mit 0,8 Prozent der Stimmen nicht den Sprung ins Parlament. Aber sie überwanden die 0,5 Prozent-Hürde, ab der den für den Bundestag kandidierenden Parteien die öffentlichen Mittel der Wahlkampfkostenerstattung zustanden. Auf diese Weise erhielt die Generationenpartei 2,5 Millionen Mark.

1991 gründete Trude Unruh das Generationenbildungswerk „Graue Panther Nordrhein-Westfalen e. V.“. Ihr Ehemann Helmut Unruh starb am 18. September 1993 im Alter von 70 Jahren. Am 16. Oktober 1994 erhielten „Die Grauen“ bei der Bundestagswahl 0,5 Prozent der Stimmen.

1996 wurde das Generationenbildungswerk zum Träger der bundesweiten „Trude Unruh-Akademie“. Im selben Jahr gründete Trude Unruh die Ausbildungsstätte mit modellhaftem Pflegedienst „Chef ist der betroffene Mensch“, den „Bundesverband Graue Panther e. V.“ mit Sitz in Berlin als Dachverband des Senioren-Schutz-Bundes „Graue Panther“-Vereine Deutschlands und die bundesweite Graue Panther Stiftung mit Sitz in München.

Trude Unruh schrieb die Bücher „Aufruf zur Rebellion“ (1984), „Trümmerfrauen“ (1987), „Tatort Pflegeheim“ (1989), „Grau kommt – das ist die Zukunft“ (1990) und „Schluss mit dem Terror für Alte“ (1991). Der Familienname Unruh ist für die wortgewaltige Politikerin ein Programm. Am 24. Mai 1996 erklärte die 70-jährige in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“, sie werde von ihrem Ziel, die Menschenwürde im Kapitalismus anzustreben, nicht abweichen. Den Weg dorthin bezeichnete sie (in Anlehnung an einen Kabarettisten) als „Trudismus“.

Die Ziele der Graue-Panther-Bewegung wie Trude Unruh sie postulierte.

Niedergeschrieben und bei verschiedenen Gelegenheiten vorgetragen von Jutta Jaura (Vorstandsmitglied Senioren-Schutz-Bund (SSB) Graue Panther Berlin e.V.)

Als Trude Unruh 1975 den ersten Senioren-Schutz-Bund in Wuppertal aus der Taufe hob, waren der Gründung monatliche Vorbereitungstreffen seit 1972 vorausgegangen, deren Motto „Fröhlichkeit und Politik“ immer mehr Leute anzog von anfangs 30 bis zu nachher 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Schon bei der Gründung legte sie daher Wert darauf, dass es sich „um einen Verein mit politischer Willensbildung“ handelte, der sich das Ziel setzte, gesellschaftspolitische Missstände aufzugreifen und sich dann in der Politik „Verbündete“ dafür zu suchen, diese in gemeinsamen Initiativen und Aktionen einer Lösung zuzuführen.

Hinsichtlich der Pflegeproblematik sagte sie einmal zu mir: „Ich habe mich sogar an den Franz Josef Strauß gewandt, um die skandalösen Zustände bei der Pflege zu verbessern. Mit dem hätte ich das ohne weiteres durchgezogen. Aber: „kein Interesse“.

Schon gleich zu Anfang nach Gründung ging es auch darum, dass einer Mutter mit 5 Kindern, die unter psychischen Problemen litt, die Wohnung behördlicherseits entzogen wurde. Statt ihr einen Sozialarbeiter zur Seite zu stellen, wurde sie zwangsweise in ein Pflegeheim eingewiesen und von ihren Kindern getrennt. Hier stießen die Gründungsmitglieder des „Senioren-Schutz-Bundes (SSB) Wuppertal“ auf „Behördenwillkür“ und merkten, dass hier sogar Jüngere darunter zu leiden hatten, was würde erst mit den „Alten“ geschehen, die dem ausgesetzt sind!

So versammelte Trude immer öfter die SSB-Mitglieder zu öffentlichen Aktionen zum Protestieren vor Pflegeheimen und vor örtlichen Rat- Häusern und rief andere Alte dazu auf mitzumachen: „Wir haben doch nichts mehr zu verlieren“, rief sie dann ins Mikrophon, „wir müssen nicht mehr den Mund halten, weil wir sonst Dienstgeheimnisse des Arbeitgebers verraten oder bei der nächsten Beförderung übergangen werden, nicht einmal der Radikalen-Erlass (keine Anstellung im Öffentlichen Dienst bei Zugehörigkeit zu einer links- oder rechts- ausgerichteten „radikalen“ Partei obwohl nicht verboten) kann uns die Rente kürzen!“ – Und die staunende Presse, ob der Präsenz der immer wiederkehrenden „wild gewordenen Alten“, war schnell dabei von den „Grauen Panthern“ zu sprechen, angesichts der gleichzeitig in den USA stattfindenden „Black Panther“-Bewegung junger (schwarzer) Bürgerrechtler und der „Grey Panthers“-Feministinnen-Bewegung dort mit großem Zulauf.
Trude und ihre SSB-Gründungsmitglieder fanden diese Bezeichnung „ehrenvoll und griffig“ und bei der nächsten Jahresmitglieder- versammlung wurde dem schlichten Senioren-Schutz-Bund der Zusatz „Graue Panther“ per Abstimmung hinzugefügt. Es reichte auch nicht mehr, nur in Wuppertal und Umgebung aufzu- treten, die gleichen Probleme wie dort gab es schließlich in der ganzen Bundesrepublik. Deshalb ermunterte Trude Unruh Aktionswillige in anderen Orten dort Gruppen zu bilden und zum Handeln einen (in der Regel) dreiköpfigen Vorstand zu wählen, der Aktionen plante und die anderen Mitglieder zu regelmäßigen Treffen zusammenrief, eben zu „Fröhlichkeit und Politik“. – So entstanden die legendären Außenstellen des ersten SSB der Graue-Panther-Generationen-Bewegung, z.B. in Bremen, Bonn, Regensburg, Stuttgart. Trude organisierte die Präsenz der SSB von Nord- bis Süddeutschland. Und von Anfang an stand fest:
wer Senioren schützen will, der muss auch Jüngere in den eigenen Reihen haben und außerdem dürfen die Alten auch die Interessen der Jüngeren auf bessere Bildung für bessere Jobs und ausreichenden Verdienst, um davon leben zu können, nicht aus dem Blick verlieren. – Trude überließ diesen Außenstellen sogar die Einnahmen der Mitglieds- Beiträge in eigener Regie wie auch die Einkünfte aus Erbschaften und Vermächtnissen zur Ansammlung von Vermögen für die Einrichtung von „Schutzwohnungen“ oder gar „Lebenshäusern“ - Graue-Panther- Wohngemeinschaften in eigens dafür angemieteten Häusern, wie dies vom SSB Wuppertal e.V. verwirklicht worden war.

Einzige Bedingung: alle Einnahmen und Ausgaben mussten jährlich an die Zentrale in Wuppertal gemeldet werden. – Anfangs lief dies überaus gut, aber in den 90ziger Jahren bekamen Außenstellen-Vorstände „Angst um ihr Geld“ und versteckten dies auf nicht angegebenen Konten. Trude erhielt eine Warnung des Finanzamtes Wuppertal, dass sie dadurch die Gemeinnützigkeit der Organisation verlieren könne und gründete 1996 dann den Bundesverband Graue Panther e.V., Dachverband aller Senioren- Schutz-Bund (SSB) –Vereine“. Die Außenstellen erhielten die Option, sich aufzulösen oder eigenständige SSB-Vereine als e.V. zu gründen, mit eigenverantwortlicher Finanzverwaltung gegenüber dem örtlichen Finanzamt.

Die erste Schutzwohnung entstand in Wuppertal gleich nach Grün-dung des dortigen Ur-SSB. Wozu war das notwendig? Die aufgefallene Problematik auch wiederum eine Art von Behördenwillkür bestand darin, dass alte Menschen, bei denen im Krankenhaus Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde und die in ihrer Wohnung alleine lebten, sofort in ein Heim-Pflegebett vermittelt wurden, wobei die eigene Wohnung umgehend behördlicherseits aufgelöst wurde, da ja die Einkünfte des Betroffenen, von denen er die Miete bezahlte, in der Regel nun komplett für den Heimplatz benötigt wurden. – Der oder die Betroffene konnte froh sein, am Ende noch ein persönliches Bild vom verstorbenen Ehepartner oder den entfernt lebenden Kindern auf dem Nachttisch zu haben, alles andere wurde von fremden Menschen aufgelöst und entsorgt. – Da die Heime auch kein Interesse daran hatten, den Pflegebedürftigen wieder auf die Beine zu bringen, weil das dann eher zu Mittelkürzungen führte und der schwer-Pflegebedürftige oder bei Verschlechterung am Ende „schwerst-Pflegebedürftige“ viel mehr Geld für das Heim ein-brachte., führte diese Vorgehensweise dazu, dass die letzte Wohnung im Leben für solchermaßen Betroffene dann ein Pflegebett im Mehrbettzimmer mit einem Nachttisch und einer Schrankseite im Zimmer war. – Trude Unruh hierzu immer wieder: „Eine solche Wohnung als letzte Bleibe im Leben ist einfach menschenunwürdig“. – Kannte man die Panther und es wurde ein solcher Fall bekannt, kreuzten die Panthermitglieder im Krankenhaus auf, sagten die Person habe persönliche Betreuung bei guten Freunden und nahmen sie bei Entlassung erst einmal in die Schutzwohnung auf, wo mit persönlichem Bemühen und Krankengymnastik zunächst versucht wurde, die Person wieder auf die Beine zu bringen und so nach einiger Zeit eine Rückkehr in die eigene Wohnung zu ermöglichen.
Und falls das nicht möglich war, wurde mit dem Betroffenen zusammen eine passende Pflegeeinrichtung gesucht und die Wohnungsauflösung fand in seinem Beisein und nach seinen Anweisungen statt. Trude Unruh aber erzählte oft nach den Veranstaltungen im vertrauten Mitgliederkreis, dass dies alles oft nicht so glatt ging und dass es Fälle gab, wo sie mit einem Arzt im weißen Kittel und zwei Helfern nachts auf eine Station gegangen ist und den zu Entlassenden aus seinem Bett in ein wartendes Auto gebracht hat, um ihn anschließend in die Schutzwohnung zu bringen, wo er von geschulten aber nicht mehr im Arbeitsprozess befindlichen Menschen weiter versorgt wurde. „Legal war das nicht“ pflegte Sie dann zum Abschluss zu sagen, „aber menschlich notwendig“.
In ihren Büchern hat sie auch auf solche Fälle hingewiesen. – Natürlich wurde das Krankenhaus umgehend verständigt, dass sich der Patient / Patientin nach eigenem Willen selbst entlassen habe auch gegen den ärztlichen Rat. – Die Graue-Panther-Generationen-Bewegung wird 2020 im Mai 45 Jahre alt und hier ist von der Anfangszeit der Grauen Panther die Rede. Warum müssen sich die Grauen Panther heute nicht mehr mit so dramatischen Aktionen einmischen? – Auch das ist ein Verdienst von Trude Unruh. Sie war ein sehr politisch denkender Mensch hatte Bürgerinitiativen mit- gegründet und verschiedene Parteien ausprobiert.
Schließlich saß sie mit einem „Graue-Panther-Mandat“, wie sie es nannte, ohne Parteimitglied zu sein, von 1982-1990, also zwei Wahlperioden, auf einem Listenplatz der GRÜNEN im Deutschen Bundestag mit dem Versprechen der GRÜNEN- Fraktion alles junge Leute mit alternativen, unbekannten Ideen im Kopf – ihre Altenpolitik im Parlament zu vertreten, da diese selbst gar keine Konzeption für ältere Mitbürger hatten. Und es wurden viele Dinge im Parlament in dieser Zeit angestoßen, alles aktenkundig in den Drucksachen des Deutschen Bundestages. Selbst ein Gesetzesvorschlag für eine Mindestrente in Höhe der damaligen „Beamten-Mindestpension“ von 1.200 DM wurde eingebracht, fand aber im Parlament, da man ja Oppositionspartei war, natürlich keine Mehrheit. Anträge auf häusliche Pflege wurden im Parlament gestellt und Berechnungen beigefügt, dass die Versorgung in der eigenen Wohnung mit einem ambulanten Pflegedienst sehr viel preiswerter ist als konsequente Heimunterbringung für jeden Pflegebedürftigen. Auch das wurde erstmal abgeschmettert, hat dann aber in einem Prozess vieler Jahre doch dazu geführt, dass heute ein „Recht“ der Betroffenen besteht, ambulante Pflege in der häuslichen Umgebung zu verlangen. Nur muss derjenige auch seine Rechte kennen und noch geistig stark genug sein, sie einzufordern. Fälle mit der „unfreiwilligen“ Wohnung im Pflegebett, wie oben schon beschrieben, gibt es also heute weniger oft als früher. – Danke Trude! Die Saat ist aufgegangen! - Allerdings kommt es noch viel zu oft vor. –

Hier müssen wir mobilen Alten die gesellschaftlichen Wächter sein! – Besonders stolz einerseits aber auch menschlich sehr bewegt zeigte sich Trude Unruh immer, wenn sie auf das tatsächlich während ihrer Bundestagszeit geänderte Vormundschaftsrecht für Erwachsene zu sprechen kam. „Es ist was in Gang gekommen“, sagte sie dann, „was in die richtige Richtung geht. Und dass ich einen Minister dafür gewinnen konnte, mit dem sich das durchziehen ließ, da bin ich stolz drauf.

Aber das Betreuungsgesetz hat noch viele Fehler, das macht mich traurig, und vor allem auch den falschen Namen. Die Menschen verstehen unter „Betreuung“ meist persönliche Pflege. Stattdessen müsste es Beistand heißen. Die Menschen, die heute unter das „Betreuungsgesetz“ fallen, die müssen für alles oder für Teilbereiche einen „Beistand“ haben und es müsste eigentlich „Beistandsgesetz“ heißen“. Tatsächlich ist es Trude Unruh zu verdanken, dass das „Entmündigungs- Recht“ für Erwachsene (in größerem Umfang immer angewandt auf „nicht mehr zurechnungsfähige“ alte Menschen) in ein „Betreuungsrecht“ verwandelt wurde, das nun auch Teil-Betreuungen in 5 Feldern zulässt, genannt seien hier als Beispiel das „Aufenthalts-Bestimmungsrecht“ und das „Finanzverwaltungsrecht“. Dafür hatte sie im Parlament mal wieder „Verbündete“ gesucht und einen in dem damaligen FDP-Justizminister H. A. Engelhard gefunden, so dass die Verabschiedung des geänderten Gesetzes eine Mehrheit im Parlament fand.–

Juristen war es längst bekannt und einigen brannte es auch auf der Seele (s. FDP-Minister), aber - es ist kaum zu glauben - Deutschland ist in der ganzen Europäischen Union das einzige Land, das kein Vertretungsrecht für Erwachsene kennt, wenn diese teilweise (nach unvorhergesehenen Unfällen oder im Alter) oder ganz (z.B. bei Demenz) keine Geschäftsfähigkeit mehr aufweisen. In jedem Einzelfall musste dann ein Gericht entscheiden. Es gab keine automatische Vertretung durch die nächsten Angehörigen, nicht mal durch die Ehepartner. Die Idee wurde aber immer wieder erneut ins Parlament getragen, wenigstens bei Eheleuten erstmal die Vertretung auf den Ehepartner zu übertragen... nach langem Prozess über viele Jahre kam das nun in Gang ... Danke Trude! Die Saat ist aufgegangen! Als sich die GRÜNEN nach ca. 6 Jahren Parlamentserfahrung von den Panther-Ideen abwandten (selbst vom Gesetzentwurf der Mindestrente wollten sie nichts mehr wissen), verließ Trude diese Fraktion und wurde für die letzte Zeit der Wahlperiode fraktionslose Abgeordnete im Deutschen Bundestag, wobei sie 1989 schon für ihre eigene, gerade erst gegründete Partei „DIE GRAUEN - Graue Panther“ dort saß. – Wenn man sich diese Entwicklung vor Augen hält, versteht man erst, warum Trude Unruh so scharf darauf war, mit eigenen Abgeordneten im Parlament zu sitzen.
Sie hatte inzwischen durch die Parlamentsarbeit gelernt, dass man viel Geduld braucht, bis Ideen sich verbreiten und dann zu einer anderen Zeit auch von gegnerischen Parteien auf einmal aufgegriffen werden. „Wir brauchen einen politischen Arm“, war ihre ständige Rede. Und die Partei DIE GRAUEN ... hätte sie gerne dazu gemacht. Sie war auf dem besten Wege dazu und wurde dann von politischen Glücksrittern um die Früchte ihrer Arbeit auf diesem Sektor betrogen. Wir kennen sie alle, die Schlagworte „Spendenskandal“, Auflösung der Partei DIE GRAUEN und das alles in dem Augenblick, wo Trude den Vorsitz der Partei aus eigener Einsicht mit über 80 Jahren abgegeben hatte, stolz darauf war, an einen „Vorsitzenden der Enkel-Generation in der Hauptstadt Berlin“ abzugeben, wo die Parteimitglieder inzwischen mit 3,2% in den Bezirksverordneten-Versammlungen saßen und bei den nächsten Senatswahlen (= Landtagswahlen) Chancen gehabt hätten, dort Sitze zu bekommen. „Trude Unruh hat eine weiße Weste“ sagte im Jahr 2008 der zuständige Staatsanwalt Baum nach Auflösung der Partei dazu, weil Sie nicht vor Gericht erscheinen musste, niemals selbst angeklagt war.

Aber zusammen mit Trude Unruh musste die eigentliche Graue-Panther- Generationenbewegung jahrelang die Folgen tragen. Öffentlich wurde alles in einen Topf geworfen, ob Bundesverband Graue Panther e.V. als Dachverband, ob alle unsere Mitgliedsvereine „Senioren-Schutz-Bund „Graue Panther“ (Ort) e.V.“ sowie deren einzelne Mitglieder und auch die Mitglieder der Gruppe Deutschland im Bundesverband, sie wurden geschmäht und diffamiert und wir verloren Mitglieder ohne dass - wie vorher immer - neue hinzukamen. Aber unsere engagiertesten Mitglieder haben die Pantherarbeit in den Vereinen aus Überzeugung weitergemacht und die Panther-Ideen hochgehalten. Dabei wurde immer auffälliger, wo auch heute noch unsere „alten“ Panterforderungen nicht erfüllt sind:

Schutz vor Willkür

Oben wurde schon auf Behörden-Willkür eingegangen. Und wir wissen aus den Vereinen, dass dies immer noch geschieht und die betroffenen Menschen dann einen Beistand aus dem Kreis der Grauen Panther gut gebrauchen können. Dann kann auf den Behörden manches erreicht werden, vor allem, wenn es darum geht, dass Menschen mit einer gerichtlichen Betreuung nicht zurechtkommen und Gespräche mit dem Amtsrichter ggf. zu einer Lösung führen oder Gespräche mit Heimleitungen nötig sind, damit z.B. das Taschengeld an Heimbewohner korrekt ausgezahlt wird und ähnliche Fälle mehr. Aber der Schutz vor Willkür muss auch immer wieder bei öffentlichen Angelegenheiten gestärkt werden, wenn Senioren-Treffs geschlossen werden sollen, was die dortigen Nutzer aber nicht wollen oder als Senioren-Wohnungen deklarierte Bauten verkauft werden und die Bewohner dann hinausgegrault werden. In all diesen Fällen muss durch Eintreten für die Belange der Betroffenen mit Unterschriftenlisten, mit Briefen für diese eingetreten werden - völlig unabhängig davon, ob sie bei uns Mitglied sind oder nicht. Schutz vor Willkür hat aber auch etwas mit dem Pflegerecht und dem Recht auf einen würdevollen Tod zu tun. Wenn ich ins Krankenhaus komme, dann ist mein Schutz vor der Willkür Anderer eine eindeutig abgefasste Patientenverfügung, die ich dort hinterlege und Ärzte und Pflegepersonal aufmerksam mache, dass es sie gibt. (Gesetzlich sind diese inzwischen verpflichtet, sich daran zu halten.) Bei Pflegediensten gilt: Chef ist der zu pflegende Patient, er ist Vertragspartner und kann vom Vertrag zurücktreten, wenn ihm etwas nicht gefällt. Auch Heimverträge können gekündigt werden.

Befreiung von Bevormundung

Im Kreis der Grauen Panther den eigenen Willen stärken und sich von den eigenen Kindern oder weiteren Verwandten nicht von seinen Vorhaben abbringen lassen. Es gibt viele Menschen , die in Vorsorgevollmachten für medizinische Behandlungen oder gar Generalvollmachten ihre eigenen Kinder ausdrücklich nicht aufgeführt haben möchten, andererseits wissen sie aber auch keine andere vertrauenswürdige Person, die hier eingetragen werden könnte. Diese Personen sind beim Einsetzen von Vereinsmitgliedern gut beraten, weil hier eine gegenseitige Kontrolle besteht.

Aufklärung von Unwissen

Dies ist eine generell wichtige Forderung der Graue-Panther- Generationenbewegung. „Wer mit 30 Jahren noch nicht begriffen hat“ sagte Trude immer, „dass es bei Rentenabsicherungen nicht nur um die jetzigen Rentner-innen geht, sondern auch um die eigene Absicherung im Alter, dem ist nicht zu helfen“. Bei Missständen im eigenen Umfeld wagen viele Menschen nichts zu sagen, weil sie dann eine benachteiligende Behandlung fürchten von denen, die das Sagen haben. Hier braucht es Zivilcourage, um höflich aber bestimmt, Abänderung zu fordern. Besonders schlimm ist aber, wenn es Regelungen für Betroffene längst gibt, diese aber ihre eigenen Rechte nicht kennen. - Trude Unruh gründete hierzu das Graue-Panther-Bildungswerk Nordrhein-Westfalen e.V. (im größten Bundesland), das erstmal den Ur- SSB Wuppertal versorgte mit Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen und dann Träger der Trude-Unruh-Akademie wurde, die auch überregional Sachkunde für die tägliche Graue-Panther-Arbeit in den Vereinen vermittelte. Leider sind diese Einrichtungen mit in den Strudel des Parteiuntergangs gezogen worden und existieren heute nicht mehr.

Mitglieder helfen Mitgliedern

Dies drückt deutlich aus, dass wir ein Verein zur gegenseitigen Selbsthilfe sind und wie weit diese geht, dazu findet jeder selbständige Verein seine ganz ureigentlichen Verhaltensweisen. In der Regel wird sich auf jeden Fall gekümmert, wenn jemand, der regelmäßig zu den Treffen kommt auf einmal wegbleibt oder wenn jemand im Krankenhaus Besuch oder sonstige Hilfe braucht. Es wird sich auch gekümmert, dass niemand aus finanziellen Gründen irgendetwas nicht mitmachen kann. Hier kommt wieder Trude Unruhs Slogan „ Fröhlichkeit und Politik“ zum Tragen. Wir machen es richtig, wenn wir unsere Ausflüge machen und miteinander fröhlich sind und solche Gelegenheiten genießen. Wir machen es auch richtig, wenn wir mit sehr viel verschiedenen Meinungen die augenblickliche politische Lage diskutieren (jeder nimmt sich daraus was mit) und vor allem über die Tücken des Alltags sprechen, die Ältere betreffen und die oft mit gesellschaftlichen Neuerungen zusammenhängen wobei wir auch die Auswirkungen auf die jüngeren Generationen überdenken. Trude Unruh, die, 1925 geboren, nun schon über 95 Jahre alt ist, die aber selbst nicht mehr aktiv am Leben der SSB-Vereine teilnehmen kann, hat Vieles angestoßen, dass sich jetzt - nach 45 Jahren - so allmählich zu verwirklichen beginnt.
Mit ihren Ideen war sie ihrer Zeit weit voraus, manchmal wohl zu weit! - Ganz klar hatte sie erkannt, dass es gesellschaftliche Akzeptanz nur geben kann, wenn Jung und Alt gemeinsam nach Lösungen suchen. Deshalb hat sie eine Einengung der Graue Panther-Bewegung nur auf alte Menschen konsequent abgelehnt und immer darauf bestanden, es müssen auch Jüngere zu uns finden können. In erster Linie auch die, die Stärkung im Rücken haben müssen und möchten, wie Pflegekräfte und - solange es die gab - Zivildienstleistende. Aber darüber hinaus auch alle, die der Graue-Panther-Bewegung zugetan waren und sind und später auch lieber zu den rebellischen Alten gehören wollen, als sich alles gefallen zu lassen. „Wären wir eine reine „Alten-Organisation“ sagte Trude oft, „dann könnten wir staatliche Zuschüsse bekommen. Es ist besser, dass wir auf Jüngeren in unseren Reihen bestehen.
Staatliche Zuschüsse machen abhängig in der Meinungsäußerung. Das sind „vergiftete“ Knochen.“ Mit den Hartz-IV-Gesetzen und den Minijobs hat sie ganz klar eine riesige Altersarmut-Lavine auf unsere Gesellschaft zukommen sehen und Modelle entwickelt, wie dagegen gesteuert werden könnte. Ihr Slogan „Menschenwürde im Kapitalismus“ bedeutet ja gerade nicht, dass sie eine Art Staats-Sozialismus wollte - das DDR-Modell betrachtete sie als total gescheitert - sondern sie wollte den freien Handel und Wandel des Kapitalismus, aber bitte sozial abgefedert (soziale Marktwirtschaft) und keine Profitmaximierung auf Kosten zwischenmenschlicher Bedürfnisse und unter Verlust jeglicher Würde. - Selbst die Renten müssen erst erwirtschaftet werden, bevor man sie auszahlen kann“ war ihre Meinung und sie ließ von Experten einen „Sozialwirtschaftsfond“ durchrechnen , der günstige Kredite an die Mittelstands-Unternehmen ausleihen und damit dann Zinsen erwirtschaften sollte. Unter der weiteren Prämisse „alle zahlen ein, auch Beamte und die Selbständigen mit den jetzigen eigenen Versorgungswerken (Ärzte, Rechtsanwälte etc.) führten diese Berechnungen zu dem Ergebnis, dass daraus eine menschenwürdige „Mindestrente“ gezahlt werden könnte. Niemand müsste mehr staatliche Transferleistungen beantragen, wenn eine selbst erarbeitete Rente im Alter nicht ausreicht.

Ihre letzte Veröffentlichung „Grau kommt ... das ist die Zukunft ... spielt sowohl auf die umgekehrte Alterspyramide an wie auch darauf, dass sich „die Grauen Zellen“ in unseren Gehirnen andere Denkmodelle ausdenken müssen, um die Zukunft positiv zu gestalten und zwar „Jung und Alt gemeinsam, und heute WIR - morgen Ihr ! –

Gez. Jutta Jaura
Januar 2021